Wien Modern 38 - Das Finale
Cornelius Cardew
Bereits am Sonntag eröffnet, ist am Montag, 24. November die begehbare Klanginstallation aus Bananenkisten von noid im Theater am Werk im Kabelwerk noch einmal von 18:00 bis 22:00 Uhr zu erleben. Im Saal oben bringt das Trio Amos um 19:00 Uhr erneut die Werke von Francesca Verunelli und Jack Sheen zur Aufführung, im Saal unten präsentiert das œnm aus Salzburg um 20:00 Uhr zu seinem 50. Jubiläum noch einmal Clemens Gadenstätters wuchtige Raumkomposition Archipel Life.
Das Claudio Abbado Konzert am Dienstag, 25. November im Wiener Musikverein erinnert an den Gründer von Wien Modern und präsentiert zwei große österreichische Erstaufführungen: Songs & Voices von Francesca Verunelli, ein vielschichtiger, eindringlicher Zyklus, reicht vom Abschiedsgesang für die früh verstorbene Schwester der Komponistin bis zum Schweigen der Sirenen – Odysseus hört bei Kafka verführerischen Gesang, wo Stille herrscht; er «hörte ihr Schweigen nicht, er glaubte, sie sängen, und nur er sei behütet, es zu hören» (Franz Kafka). Chaya Czernowin Immaterial, ein imaginäres «Unterwassertheater», stellt die Frage, «was passiert, wenn die Stimme ein Klang ist, oder die Essenz einer Emotion, oder eine Farbe, eine Bewegung, eine Linie». Präsentiert werden die Werke um 19:30 Uhr im Goldenen Saal von dem Ensemble C Barre und Neue Vocalsolisten.
Am Mittwoch, 26. November öffnet der Reaktor von 19:00 bis 22:30 Uhr wieder die Türen zur Ausstellung Der blöde dritte Mittwoch, einer Sammlung widerständiger, undiszipliniert arbeitender Positionen zwischen Bildender Kunst, Performance und Musik. Undiszipliniert bedeutet hier: wach, durchlässig, widerständig, experimentell und politisch. Nach der ersten Ausgabe im Rahmen der Kunstmesse Parallel 2023 ist Blöd und Undiszipliniert #2 nun Teil des Festivals Wien Modern. Um 20:00 Uhr findet eine Live-Performance sowie ein geführter Rundgang durch die Ausstellung statt. Gleichzeitig wird im MusikTheater an der Wien Unsuk Chins Oper Alice in Wonderland in einer weiteren Aufführung gezeigt. In den SOHO Studios ist erneut Ruth Cerhas Stationentheater Die Nacht weiß nicht vom Tage zu erleben.
Am Donnerstag, 27. November gibt es im Reaktor um 17:00 Uhr Gelegenheit, die Freude an Blechblasinstrumenten zu entdecken: In einem zweistündigen Workshop, der sich an alle Altersgruppen und explizit an Menschen ohne musikalische Vorkenntnisse richtet, erarbeiten die Teilnehmer:innen zusammen mit dem Komponisten und Posaunisten Fabrice Charles die Fanfare de la Touffe (Anmeldung unter anmeldung@wienmodern.at). Diese wird anschließend im Rahmen des Konzerts Use/less Manual um 20:00 Uhr gemeinsam mit dem ensemble]h[iatus zur Aufführung gebracht. Im Künstlerhaus ist um 18:00 Uhr das Vienna Improvisers Orchestra mit seiner Praxis des «Instant Composition Conducting» zu hören.
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Im Arnold Schönberg Center stellt das in Wien und New York beheimatete Mivos Quartet am Freitag, 28. November, um 18:00 Uhr drei sehr unterschiedliche Positionen vor: Miniaturen von Hannah Kendall, inspiriert von persönlichen Erinnerungen an nicht-urbane Orte, ein neues Streichquartett von Tomasz Skweres, das den tiefen Klang japanischer Tempelglocken aufgreift, und Arnold Schönbergs Drittes Streichquartett, das schon zu Festivalbeginn in der Interpretation des Arditti Quartet zu hören war. Um 20:30 Uhr lädt Studio Dan zu einem experimentellen Spieleabend im MuTh mit Musik, die auf Regeln, Karten und spontaner Interaktion basiert – darunter John Zorns legendärer Kraftakt Cobra von 1984. Neben Musik von Peter Brötzmann und Mica Levi präsentiert Christoph Ressi, fasziniert von der Verbindung von Musik und Gaming, ein neues Werk mit einem eigens entwickelten Live-Scoring-Tool, das Noten in Echtzeit erzeugt und so maximale Kreativität und Reaktionsfähigkeit von den Musiker:innen fordert.
Das letzte Wochenende von Wien Modern hat es noch einmal in sich. Am Samstag, 29. November, beginnt das Programm am Vormittag um 11:00 Uhr am mdw Campus: Das junge Ensemble KLANGwandler der mdw feiert die stilistische Vielfalt der Werke von vier Komponistinnen zwischen Paris, Teheran, St. Petersburg, Wien und dem Süden Australiens. Um 14:00 Uhr folgt im Reaktor der große Mani.Marathon von Pierluigi Billone: Sieben Werke für Soloschlagzeug hat er bislang komponiert, diese kommen zum ersten Mal zur Gesamtaufführung. Im Großen Saal des Wiener Konzerthauses entfaltet sich danach um 19:30 Uhr ein intensiver Dialog zwischen Literatur und Musik: Birgit Minichmayr, Wolfgang Kogert und Klaus Lang entwickeln eine eindringliche musikalische Form zu Ingeborg Bachmanns schonungsloser Erzählung Unter Mördern und Irren über das traumatisierte Wien der Jahre nach dem Kriegsende 1945. Zum Abschluss dieses Konzerts mit Lesung verwandelt Philipp Maintz das Gedicht Die gestundete Zeit in ein kraftvolles Werk für sechs Soprane und sechs Schlagzeuge.
Birgit Minichmayr
Am letzten Festivaltag von Wien Modern 38, Sonntag, 30. November, füllt Cornelius Cardews visionäres Werk The Great Learning das gesamte Wiener Konzerthaus: Nach einem Jahr intensiver Vorbereitung wird eine der seltenen Gesamtaufführungen aller sieben Paragraphen realisiert – getragen von der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM), Junge Musik, Wien Modern und dem Wiener Konzerthaus. Einen ganzen Tag lang, von 11:00 bis 19:00 Uhr, füllen hunderte Mitwirkende alle Säle des Hauses mit Musik. The Great Learning, das größte und zugleich gesellschaftlich verbindendste von Cardews Werken, basiert auf dem ersten Buch des chinesischen Philosophen Konfuzius und gliedert sich in sieben Paragraphen. Cardew, der 1981 im Alter von nur 45 Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam, hat mit diesem Werk eine bis heute einzigartige Verbindung von Musik, Gemeinschaft und gesellschaftspolitischem Denken geschaffen. Das Lernen, für das Konfuzius vor rund 2.500 Jahren erstaunliche Gedanken festgehalten hat, lässt sich bei dieser Gelegenheit ebenso mit dem Basteln von Steckenpferden, einem Aufenthalt in der Leseecke, im Schrei-Workshop oder, ganz im Gegenteil, im Ruheraum verbinden. Ein Festivalfinale, das zugleich Kontemplation und kollektive Kraft freisetzt.
The Great Learning
