CHAOUM [kɑoʊm]
Katharina Klement, Isabelle Duthoit, Sabine Maier (2020–2025)
«Die Stimme geht dem Wort voraus und ermöglicht, dass es verstanden wird.» (Mladen Dolar)
Im Zentrum der Arbeit steht ein Wesen, welches mit seiner Stimme und seinem Körper Laute hervorbringt, sich allmählich artikuliert, eine Sprache (er)findet, um wieder in ihren phonetischen «soundsense» zu wechseln. Die Grenze zwischen Klang und dessen Bedeutung, zwischen stimmlichem Laut und dessen semantischem Inhalt bleibt eine permanente Reibefläche. Der Begriff des Chaos, der offene und leere Raum, der hier nicht Mangel ist, sondern Hallraum für die Stimme, und die Ursilbe AOUM, der intonisierte Atem, spannen inhaltlich einen Bogen und treffen sich im Titel dieses Projekts. Die Protagonistin erscheint zu Beginn als amorphe Gestalt mit ursprünglichen, existenziellen Lautäußerungen. Im weiteren Verlauf werden Anleihen aus Naturklängen oder Tierlauten Vorlagen für abstrakte Schallwortbildungen. Im Spiel mit Lunge, Kehlkopf, Zunge, Lippen wird mit erweiterter vokaler Technik vorerst eine Fantasiesprache entwickelt, die auf musikalischer Ebene zu entschlüsseln bleibt. Der Mund ist ganz im Körper eingebunden, das Atem- und Artikulationssystem ist das eigentliche Instrument. Erst nachdem ein Alphabet etabliert wird, werden weitere semantische Fragmente und Zusammenhänge offengelegt. Die Stimme bleibt einerseits intimer Kern der Subjektivität, andererseits Gewebe des Sozialen mit Bedürfnis zur Kommunikation. Aufgrund der «native language» der Protagonistin kommt es immer wieder zu einem Wechsel zwischen deutscher und französischer Sprache, der weitere klangliche Bedeutungsebenen offenlegt. Der Körper der Darstellerin wird zur mehrschichtigen Skulptur aus sich überlagernden klanglichen wie bildlichen Reflexionsflächen. Einerseits mischt er sich als Klangkörper mit den im Raum aufgebauten acht Lautsprechern und zwei Klangblechen, andererseits wird er mit analogen Dia- oder Overhead-Projektoren belichtet und live überzeichnet.
Das Klavier ist Resonanz- und Echoraum der sprachlichen Artikulation, ist das physische instrumentale Gegenüber, mit dem kommuniziert wird. Die voraufgenommene Stimme von Christian Reiner bleibt dagegen im virtuellen, körperlosen Vorstellungsraum. Die Arbeit ist in neun Abschnitte gegliedert, wurde zum Teil mittels Improvisationstechniken entwickelt, die Gesamtstruktur ist aber präzise durchkomponiert. Texte der Schriftstellerin Margret Kreidl, des «Gedichteschreibers» Ernst Herbeck, der US-amerikanischen Stimmperformerin Lynn Book und des «Sprachbewegers» Oswald Egger bilden ein fragmentiertes Beziehungsgeflecht. Transkribierte Interviews verschiedener Personen aus dem Freund:innenkreis dienten ebenso als Quellmaterial. Im späteren Verlauf wechselt Sprache mit spielerisch gesetzten, dennoch klar bewertenden Aussagen zum politischen Instrument. Als Sichtbarmachung des Gesprochenen erscheint Schrift einmal als collagierte mehrschichtige Folie, dann als Video, welches die Idee der sogenannten «Laufschrift» fortspinnt.
In einer Welt, in der «real» und «fake», menschliche und künstliche Stimmen kaum mehr auseinanderzuhalten sind, bewegt sich Chaoum bewusst in einem offenen Bedeutungsfeld, welches Zusammenhänge im freien lyrischen Netz belässt, in dem sich die Kraft und Macht der Stimme in verschiedenen Facetten entfalten kann. (Katharina Klement)
Produktionen
- 2025
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KATHARINA KLEMENT, ISABELLE DUTHOIT + SABINE MAIER:
CHAOUM [kɑoʊm]
Installative Oper(2020–2025 UA)- '
22.11.2025 20:00, WUK, Projektraum
23.11.2025 17:00, WUK, Projektraum
