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For Roughness

Katharina Ernst (2025)

For Roughness ist eine musikalische Studie, die den Schrei als geeignetes Mittel betrachtet, um auf die Gegenwart zu antworten. Durch die Kontrastierung des wilden Tonmaterials mit der komplexen Struktur polyrhythmischer Überlagerung kommt der Alarm, von seiner Ursache also befreit, rein durch seine klangliche Qualität zur Geltung. Schlagwerk, Stimme und zwei Violinen treffen sich hier zu einem Versuch. Der Schrei als Urform der Sprache balanciert zwischen elektronischen Signalen vom Zuspielband und einer direkten Performance des Abstrakt-Dringlichen und erzählt vom Senden und Empfangen von Warnsignalen als Überlebensstrategie. Der Schrei ist ein Mittel, Extremes auszudrücken: starke Schmerzen, große Lust oder auch Entsetzen. Er lässt einen nicht kalt, da er vom Ohr im Unterschied zu anderen akustischen Eindrücken direkt als Warnsignal erkannt wird. Das liegt an einem Faktor, der in der Neurowissenschaft als «Roughness» bezeichnet wird. For Roughness arbeitet mit dem menschlichen Schrei als zentrales Klangmaterial sowie mit verschiedenen Verwandten bzw. Überhöhungen des Schreis, beispielsweise Signale von Sirenen und Hupen. Letztere stammen etwa von Field Recordings aus Danzig, als 2020 hupende Autocorsos gegen die Verschärfung des polnischen Abtreibungsrechts protestierten: Die Hupe als Aufschrei einer Gesellschaft, die in Schranken gezwungen wird, die sie nicht akzeptieren kann. Das gesamte Stück ist in einer Art Isolationsverfahren angelegt, bei der erst jede der drei Sektionen (Stimme, Schlagwerk, Streicher:innen) einzeln gezeigt wird. Im letzten Teil überlagern sich alle drei zur verdichteten, vollen Komposition. Anders gesagt: Es gibt drei separate, eigenständige Stücke, die schließlich gleichzeitig gespielt werden und so in eine Reizüberflutung münden. Analyse und emotionale Ladung ergänzen einander.
(Katharina Ernst)

Produktionen

2025