Willkommen zur Mitte des Festivals
Kommende Woche ist Halbzeit beim 37. Festival, und das für Wien Modern nicht untypische Miteinander spektakulärer Großproduktionen und intimer Settings kulminiert bei Teil 1 der Arnold Elevators von Manos Tsangaris in der Secession. Premieren von O! im TQW und Es ist Zeit im Konzerthaus; ein Besuch in der Wohnung von Margarete Schütte-Lihotzky; Licht im Reaktor, Laser in der Kirche, und sonntags wird wieder improvisiert.
Kurz bevor er am 27. November im Festsaal des Wiener Rathauses mit dem erstmals vergebenen Arnold-Schönberg-Preis der Stadt Wien ausgezeichnet wird, präsentiert Peter Jakober bei Wien Modern (11. November) eine Uraufführung für Klavier, Nachttischlampe und Zuspielung: Mit dem Auftragswerk Dunkeln lotet die Pianistin Clara Sophia Murnig die Grenzen zwischen visueller und auditiver Wahrnehmung sowie zwischen menschlicher und maschineller Klangerzeugung aus. Der Mensch mit seiner organischen Unvorhersehbarkeit trifft auf die Maschine mit ihrer mechanischen Perfektion.
Wie macht sich das Verhältnis zwischen Raum und Gesellschaft in der Stadtarchitektur bemerkbar? Wie besetzen wir Wohnraum im Alltag? Wie wollen wir leben, und welche gebauten Stadträume brauchen wir dafür? Fragen wie diese liegen dem neuen Projekt des Musiktheater-Kollektivs Untere Reklamationsbehörde (Julia Mihály und Maria Huber) zugrunde. Und Fragen wie diese führen schnell zu Margarete Schütte-Lihotzky. Zu mittlerweile viel angesammeltem Wissen über die Wiener Architekturpionierin (1897–2000) führt ein Podiumsgespräch im MAK (12. November), bevor in deren Wohnung das für Frankfurt (Ernst-May-Haus) und Wien entwickelte «politische Musiktheater» [K]1 Zimmer Wohnung (sprich: Keinzimmerwohnung) (ab 16. November) im Rahmen von Wien Modern zu erleben ist.
Am Abend nach dem Gespräch im MAK präsentieren Vera Fischer, Krassimir Sterev und Michael Moser im Reaktor als Trio Amos zeitgenössische Kammermusik-Kultur auf höchstem Niveau mit drei spannenden neuen Auftragswerken von Zeynep Gedizlioğlu, Irene Galindo Quero und der Erste-Bank-Kompositionspreisträgerin Nina Šenk.
Der Metabolische Salon im Arnold Schönberg Center, in dem Manos Tsangaris (13., 15. & 16. November) im Gespräch mit Bernhard Günther sowie in Klang und Geräusch zu erleben ist, richtet zunächst einmal den Blick auf Arnold Schönberg, dessen Klavierwerke Pi-hsien Chen beim ersten Termin am 13.11. spielen wird. Der zweite Termin am 15.11. stellt Tsangaris selbst in den Mittelpunkt, bevor der dritte und letzte Metabolische Salon mit gleich drei Gesprächspartner:innen (Klemens Gruber, Bernadette Reinhold, Gerd Zillner) die höchst erstaunliche Internationale Wiener Theaterausstellung von 1924 in Erinnerung ruft.
Mit Teil 1 des Schönberg-Werkkomplexes Arnold Elevators in der Secession ist Tsangaris dann als ungewöhnlich inspirierender Musik-Theater-Zauberer ganz in seinem Element zu erleben: Blicke (13.–15. November) ist ein Stationentheater, bei dem sich mit Schauspieler:innen, Geräuschemacher:innen, dem Ensemble Studio Dan und einer liebevoll räumlich in Bewegung gebrachten Theaterausstattung auf Arnold Schönbergs Spuren die gesamte Secession vom Keller bis zum Dach erkunden lässt. In der Woche darauf folgen, als dramatische Fortsetzung beziehungsweise Prequel, Schönes Wetter in Gmunden (19.–21. November) im Brahms-Saal des Musikvereins und Double Portrait with Arnold (19.–21. November) im Neuen Salon des Wiener Konzerthauses.
Das Auftragswerk NUT ist ein Zyklus für Orgel und Laserprojektionen und wurde eigens für die Kirche St. Gertrud (14. & 15. November) von Ingrid Schmoliner und Bernhard Rasinger komponiert und vor Ort entwickelt. NUT arbeitet mit feinen synästhetischen Abläufen und Koppelungen, um hypnotische – subtile, fragile, stehende, schillernde, vielschichtige, verwobene, dunkle, atmende –, reibende Räume zu schaffen, die mit den Laserprojektionen verschmelzen.
Als große Einladung beginnt O! A Biography (15. November) bei den frühen Anfängen einer tänzerischen Biografie und begibt sich auf die Suche nach den Möglichkeiten des Fantastischen und Transformativen, die darin liegen. Gemeinsam mit dem Black Page Orchestra, einem Tänzer und einem Countertenor sowie einem Ensemble junger Tänzer:innen taucht Eva-Maria Schaller tief hinab in Momente persönlicher Erinnerungen und Erfahrungen hinter und auf der Bühne, um einen sowohl persönlichen wie auch kollektiven Prozess der Emanzipation und Aktualisierung zu provozieren.
Während die gefeierte Dschungel-Koproduktion Die Prinzessin noch die ganze Woche zu erleben ist, gelangt das zweite Musiktheater für junges Publikum am 16. November im Wiener Konzerthaus zur Uraufführung: Es ist Zeit von Oxana Omelchuk und Studio Dan ist ein Stück über das Wesen der Zeit, mit Musik und einer leider verzauberten Schauspielerin: Sie ist eigentlich viel jünger, als sie aussieht, und hat nicht mehr viel Zeit. Denn der Countdown, um das Rätsel zu lösen, läuft. Blas-, Streich-, Schlag- und elektronische Klangerzeuger sind bei Open Family (17. November) in der Schmiede vereint. Passend wollen Alessandra Rombolà, Tiziana Bertoncini, Ingar Zach und Thomas Lehn mit diesem Projekt die Idee der offenen Familie unterstützen: ein Ort, an dem sich jedes Mitglied zu Hause fühlt und auf der Basis von Zuneigung, Respekt und gegenseitiger Akzeptanz miteinander umgehen kann.
Mit dem Format KNUSP (17. November) laden Gobi Drab und Klaus Haidl, das Kurator:innen-Team der Neuen Musik in St. Ruprecht, einmal pro Saison geschätzte Musiker:innen der Echtzeitmusik ein, um sich musikalisch auszutauschen. Bei dieser Zusammenkunft sollen verschiedene Formen von Synergien gepflegt und kultiviert werden: die soziale Vernetzung, eine Handreichung und Anerkennung unter Kolleg:innen und Mitstreiter:innen. Aber noch viel wichtiger sind das gemeinsame Erschaffen und Erleben und die Begegnung in Aufgeschlossenheit, Aufmerksamkeit und Respekt. Perfekt für einen späten Abend in der Wiener Innenstadt.
Die kinetische Klanginstallation πTon/2 von Cod.Act ist im MAK noch bis 1. Dezember zu sehen. Die Prinzessin, das Schönberg-Märchen für junges Publikum, läuft noch bis 17. November. Außerdem hören Sie auf wienmodern.at/hoerstuecke seit 15. Oktober vier Kompositionen von Untere Reklamationsbehörde, die mittels interaktiver Stadtkarte individuell und jederzeit erlebt werden können.